Das neue Organspende-Gesetz ist in Kraft. Das erklärte Ziel ist und war es, den Bedarf an Spenderorganen besser decken zu können, also die Bereitschaft der Bevölkerung im Falle eines Falles als Organspender zur Verfügung zu stehen. Nun ist es ganz anders gekommen.
Es scheint so, als würden sich alle Albträume, die Menschen haben, die sich mit der Entscheidung ob oder ob nicht beschäftigen, gerade bewahrheiten. Noch dazu scheinen manche Politiker polemisch Öl ins Feuer zu giessen und stellen mit dem Bleistift Milchmädchenrechnungenauf, die sie den Medien dann als schon als wissenschaftlich gesichert darstellen. Kurzum, der Ruf der Organspende hat sich – gefühlt – dramatisch verschlechtert. Die Realität sieht aber deutlich anders aus. Wir stellen die Situation einmal an reellen Beispielen dar. Diese haben sich genauso abgespielt.
An einem Samstagnachmittag wird eine 35-jährige türkische Frau eingeliefert. Sie habe zuvor noch den Kindergeburtstag ihres achtjährigen Sohnes gefeiert, habe über Kopfschmerzen geklagt und sei dann plötzlich mit einem lauten Schrei zusammengebrochen. Es wird sofort der Notarzt gerufen, der der Frau einen Schlauch in die Luftlöhre legt und sie maschinell beatmet. Schon zu Hause vor Ort hat sie keine Schutzreflexe mehr. In der Klinik zeigt sich dann in der Computertomographie eine massive Hirnblutung mit einem dramatischen Druckanstieg im Kopf. Sie wird sofort operiert. Schon während der Operation zeigt sich die hoffnungslose Situation. Der massive Hirndruck hat das Gehirn deutlich geschädigt. Maschinell wird sie weiterhin am Leben gehalten und auf die Intensivstation gelegt. Allen Beteiligten ist klar, dass für die junge Frau keine Chance mehr besteht, die Blutung zu überleben.
Die Angehörigen werden über die Situation zunächst aufgeklärt und werden zu ihr ans Bett gelassen. Sie können nicht im geringsten fassen, dass sie ganz rosig im Bett liegt, aber nie mehr aufwachen soll. Sie müssen sich ganz auf die Aussage der Ärzte verlassen können. Eine Organspende kommt für sie aber nicht in Frage. Vielleicht aus kulturellen Gründen, vielleicht aber auch, weil sie sich nicht vorstellen können, das sie, obwohl sie noch ganz warm ist und das Herz noch schlägt, Hirntod sein soll. Für den behandelnden Arzt wird in diesem Moment schnell nachvollziehbar, warum sie sich mit einer Organspende nicht anfreunden können. Noch in der selben Nacht werden die Geräte abgestellt und die junge Frau verstirbt. Wäre es der mutmaßliche Wille der Patientin gewesen, ihre Organe zu spenden, dann müsste jetzt das Hirntodprotokoll erstellt werden.
Die nächste Patientin ist 48 Jahre alt. Auch sie erleidet eine Hirnblutung und wird zunächst erfolgreich operiert. Sie ist nach der OP ansprechbar. In der Nacht nach der Operation erleidet sie eine massive Nachblutung mit irreversibler Hirnschädigung. Eine erneute OP macht keinen Sinn, denn klinisch (also anhand der körperlichen Untersuchung) ist es bereits sehr wahrscheinlich, dass der Hirntod eingetreten ist. Der 18-jährige Sohn wird informiert und kommt in die Klinik. Er kann nicht fassen, dass seine Mutter Hirntod sein soll. Die Untersuchungsergebnisse lassen aber keinen Zweifel an der Diagnose. Eine Organspende lehnt er rigoros ab, obwohl seine Mutter einen Organspendeausweis besitzt. Ein Transplantationsspezialist wird hinzugerufen und erstellt das Hirntodprotokoll. Für ihn kommt aber trotz des Organspendeausweises der Patientin keine Transplantation in Frage, da der Sohn dies ablehnt.
Diese Fälle zeigen eindrucksvoll, dass eine Entscheidung, sich als potentieller Spender im Falle eines Falles zur Verfügung zu stellen, keine Ja- oder Nein-Entscheidung ist. Seine Angehörigen muss man unbedingt mit ins Boot holen. Außerdem muss man sich als Angehöriger klar sein, dass man in der konkreten Situation eine solche Entscheidung treffen soll, obwohl der Angehörige noch rosig im Bett liegt und man kurz zuvor erst vom Hirntod erfahren hat. Diese enorme psychische Situation muss man immer mitbedenken. Es gibt dabei immer jemanden, der stirbt und jemanden, der übrig bleibt. Und der muss lange mit dieser Entscheidung leben können.