Der weitere Arbeitstag verläuft nicht anders. Kommt man letztendlich nach Hause, beschleicht einen das Gefühl, man hätte zahlreiche Dinge vergessen zu erledigen. Auf die Frage, wie der Tag war, kann man fast keine Details rekapitulieren. Chronischer Stress verursacht einen Tunnelblick. Dieser Tunnelblick macht in akuten Situationen Sinn, dauerhaft ruiniert er alles, angefangen von sozialen Kontakt bis zur eigenen Gesundheit und nicht zuletzt die eigene Lebensqualität. Etwas zu ändern ist wie ein fahrendes Auto zu reparieren. Fast unmöglich. Auf die Bremse zu treten kommt eh nicht in Frage, da man sonst alles nicht schafft.
Das Problem ist nicht mal die Menge der Arbeit, sondern der fehlende Überblick, die fehlende Fähigkeit, Prioritäten zu setzen. Wir sind schlichtweg gefangen im Hamsterrad. Es gibt keinen Zeitpunkt mehr, an dem wir das Gefühl haben, wir hätten unsere Arbeit erledigt. Vielleicht haben wir das sogar, nur merken werden wir es mit unserem Tunnelblick nicht.
Doch wie kommen wir aus der Nummer wieder raus? Entspannen? Unmöglich, weil mit jeder Minute Ruhe die Anspannung steigt. Leider brechen wir meist zu früh ab. Denn nach einer gewissen Zeit der Ruhe tritt die Entspannung ein. Jetzt haben wir zwar noch kein Problem gelöst, doch können wir jetzt wieder Dinge Revue passieren lassen und Veränderungen beschließen. Die wichtigste Veränderung ist: ich werde mir Auszeiten nehmen. Fest, eingeplante Auszeiten, die unter keinen Umständen ausgelassen werden.
Versuchen Sie mal, 30 Minuten mit sich alleine zu sein, ohne etwas zu tun!
Wir müssen zunächst regelmäßig unsere Achtsamkeit wiedergewinnen, damit wir über alles die Kontrolle behalten. Damit wir wieder agieren können und nicht nur reagieren müssen. Ein chirurgischer Chefarzt sagte einmal im OP-Saal: „Etwas schnell zu erledigen heißt nicht, hektisch zu werden, sondern ruhig und achtsam einen Schritt nach dem anderen zu gehen.“ Weise Worte, mit beeindruckender Ruhe und Schnelligkeit operierte er seine Patienten.
Wer Stress reduzieren möchte und wieder Lebensqualität gewinnen möchte, der sollte die Prinzipien der Achtsamkeit wieder lernen. Was zunächst esoterisch anmutet, ist nichts anderes, als der natürliche Wechsel zwischen Stress, der unsere höchste Aufmerksamkeit erfordert und dem konzentrierten Abarbeiten von gewöhnlichen Aufgaben. Anspannen und entspannen. Die geistige Relaxation nach Jakobson quasi. Wir können nicht ununterbrochen – auch nicht mit medikamentöser Hilfe – höchstkonzentriert arbeiten. Das ist unmöglich.
Der erste Schritt zur Besserung liegt darin, seine eigenen Leistungsgrenzen zu akzeptieren, denn mit steigendem Druck sinkt die Produktivität rapide ab. Wir sollten akzeptieren, dass wir Pausen brauchen, um zu regenerieren und rasch wieder unsere volle Leistungsfähigkeit zur Verfügung zu haben.
Steigen Sie also häufiger mal aus dem Hamsterrad aus. Nur so können Sie sich überhaupt wieder einen Überblick verschaffen. Dieser Überblick reduziert Ihren Stress schon erheblich. Nehmen Sie sich abends zunehmend häufiger eine Auszeit, bei der Sie kaum Reizen ausgesetzt sind. Dazu eignet sich ein Spaziergang im Grünen hervorragend. Die Geräuschkulisse ist gering. wenn Sie nun sagen, dass sei nichts für Sie, dann haben Sie bislang einfach zu früh aufgegeben. Denn in dem Augenblick, wo man sich auf den Weg macht, steigt die innere Anspannung deutlich an. Wir haben das Gefühl, das alles viel zu langsam geht. Sie sind aber gerade auf ein Tempo gepolt, dass wir im Überlebenskampf brauchen, nicht aber in unserer Freizeit. Geben Sie also nicht auf und spazieren weiter. Akzeptieren Sie die inneren Stimmen, die Sie am liebsten durch den Wald rennen lassen würden. Werden Sie beim Spazieren immer langsamer. Versuchen Sie einzelne Dinge klar zu sehen. Atmen Sie dabei tief und bewusst ein. Raucher kennen das vom normalen Zug an der Zigarette.
Manchmal dauert es nur ein paar Minuten, manchmal sogar eine halbe Stunde, bis man innerlich ruhiger wird. Dieses Gefühl der inneren Ruhe ist sicherlich schon in Vergessenheit geraten. Es ist aber nichts anderes, als auf einem normalen Stresslevel angekommen zu sein. Der natürliche Wechsel zwischen Stress und Entspannung ist uns verloren gegangen. Die innere Ruhe, die wir nach einem Spaziergang spüren, tut jedem gut. Nur der Weg dahin scheint uns, als wären wir nicht mehr leistungsfähig, weil die Langsamkeit uns gleichbedeutend mit Stillstand scheint. Doch diese Ruhephasen sind für uns existenziell. Jede häufiger wir dieses „Runterkommen“ trainieren, desto schneller gelingt es uns. Die Fähigkeit hat jeder von uns, das Problem ist meist, dass die Bereitschaft zum Entspannen nicht mehr vorhanden ist. Wir haben uns an das Gefühl gewöhnt, wir würden unsere Arbeit nicht schaffen, wenn wir zwischendrin mal abbremsen. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Vier Achtsamkeitsübungen für weniger Stress
Gehmeditation: Die Gehmeditation ist in der Achtsamkeitspraxis so beliebt, weil sie keine Anforderungen an Zeit oder Umgebung fordert. Wir tun etwas, was wir ohnehin ständig tun: Gehen und Atmen. In der Gehmeditation lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment und auf die Tätigkeiten des Gehens und des Atmens. Auf diese Weise zentriert können wir uns nicht mehr in sorgenvollen Gedanken über Vergangenes oder Zukünftiges verlieren. Wir erholen uns also.
Sitzmeditation: Das Stille Sitzen mit Beobachtung des Atems, der Gedanken, Körperempfindungen und Emotionen, ist ein elementarer Bestandteil des systematischen Achtsamkeitstrainings. Im Büroalltag ist diese Übung aber schwer zu praktizieren.
Achtsamkeit im Alltag: Das besondere an der Achtsamkeitspraxis ist, dass die Übungen nicht wie Werkzeuge benutzt und anschließend wieder weggelegt werden. Die Achtsamkeit wird in den Alltag integriert. Meditieren bedeutet in diesem Fall, die täglichen Verrichtungen in einer bewussten inneren Haltung auszuführen. Probieren Sie es einfach
mal aus.